Es gibt einen neuen Sport unter Politikern: Bürger verklagen, weil sie eine unliebsame Meinung haben und diese sogar öffentlich kundtun. Ermutigt wird dieser Trend durch Aussagen von Nancy Faeser, dass „diejenigen, die den Staat verhöhnen, es mit einem starken Staat zu tun bekommen“ oder Lisa Paus’ Ankündigung, auch „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ Äußerungen zu ahnden und gegen „Hass und Hetze“ vorzugehen.

Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel kennt sich aus mit diesem Milieu. Er hat mehrfach erfolgreich gegen die Bundesregierung, aber auch gegen Großkonzerne wie Facebook geklagt, wenn diese versuchten, das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. Er fasst die Aussage von Paus zusammen: „Sie hat nichts anderes gesagt als: die wissen, was erlaubt ist und halten sich dran. Und trotzdem müssen wir sie verfolgen. Und dafür setzten wir die Ressourcen des Staates ein“.

Strafanzeigen als Geschäftsmodell

Eine, die das Klagen auf die Spitze getrieben hat, ist die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Monatlich schicke ihr Anwalt um die 200 Briefe mit Zahlungsforderungen raus. „Sie betrachtet das als Geschäftsmodell und verdient damit wahrscheinlich mehr als im Bundestag“, mutmaßt Steinhöfel im Nachrichten-Talk „Stimmt!“. Auch unbekanntere Politiker wie Helge Lindh oder Lamya Kaddor erstatteten unzählige Strafanzeigen und „hoffen, dass eine es in die Schlagzeilen schafft“.

Sympathieträgerin: Marie-Agnes Strack-Zimmermann

In seinem ersten Buch „Die digitale Bevormundung: Wie Facebook, X (Twitter) und Google uns vorschreiben wollen, was wir denken, schreiben und sagen dürfen“ schildert Steinhöfel verschiedene reale Fälle, die zeigen: Meinungsfreiheit ist nichts Gottgegebenes, sondern muss verteidigt und bewahrt werden. Allen Menschen, die Post von gekränkten Politikern oder Antidiskriminierungs-Beauftragen bekommen, rät er, dagegen vorzugehen. Auch wenn es leichter gesagt als getan sei und gewisse finanzielle Mittel voraussetze. Aber die „Demütigung und die Niederlagen der Bundesregierung müssen so hoch geschraubt werden, dass sie irgendwann damit aufhört“, ist der Rechtsanwalt überzeugt.

Das neue Buch von Joachim Steinhöfel.