Prof. Kooths vom Institut für Weltwirtschaft: „Gesamtwirtschaftlich wird daraus keine Wachstumsstory“
Die Transformation der deutschen Wirtschaft hin zur Klimaneutralität gilt vor allem bei den Grünen und bei Kanzler Olaf Scholz (SPD) als Basis für ein neues Wirtschaftswunder. Glaubt man etwa Grünen-Chefin Ricarda Lang, dann befindet sich die Welt in einem Wettlauf um die Klimaneutralität, und die Politik der Bundesregierung will der deutschen Wirtschaft dabei helfen, diesen Wettlauf zu gewinnen. In den Augen von Prof. Stefan Kooths, Leiter der Prognoseabteilung im Kieler Institut für Weltwirtschaft, geht diese Rechnung allerdings nicht auf.
„Das wäre sehr schön, wenn es diesen Wettlauf gäbe“, sagt Kooths bei „Schuler! Fragen, was ist“. „Leider ist es genau andersherum. (...) Der Kanzler sprach von Wachstumsraten wie in den 50er und 60er Jahren: also ein neues Wirtschaftswunder oder die Klimatransformation als neuer Exportschlager. Natürlich können einzelne Unternehmen, die sich jetzt sehr stark auf diese Anwendungen konzentrieren, wachsen und im Zweifel auch mehr exportieren. Aber gesamtwirtschaftlich wird daraus eben keine Wachstumsstory. Allein deshalb nicht, weil wir jetzt mehr Ressourcen aufwenden müssen, um dieselben Güter herstellen zu können, die wir vorher auch schon hergestellt haben.“
Hier geht’s zum ganzen Interview mit Prof. Stefan Kooths:
Die Dekarbonisierung wird uns auf Jahrzehnte Wachstum kosten
Kooths macht da eine einfache Rechnung auf: „Nehmen wir beispielsweise ein Stahlwerk. Wenn sie das jetzt mit hohen Investitionen dekarbonisieren, damit hinterher noch genauso viel Stahl produziert wie vorher, ist das ein Minus-Geschäft. Wachstum misst sich daran, wie viel Stahl produziert wird. Deshalb ist das keine Politik, die das Wachstum stärkt, sondern es wird uns auf absehbare Zeit und damit meine ich diesen gesamten Prozess der Dekarbonisierung, also mehrere Jahrzehnte tendenziell Wachstum kosten.“
Das Kernproblem in der Klimapolitik: Sie kann nur erfolgreich sein, wenn alle mitmachen. „Wir haben ja mit der Dekarbonisierung etwas, was wir Ökonomen ein globales Kollektivgut nennen. Das heißt, alle profitieren davon, wenn die entsprechenden Klimaeffekte dann so eintreten, wie man es sich verspricht, aber der, der dazu beiträgt, der hat die Kosten dafür allein zu tragen. Und deshalb gibt es ein Trittbrettfahrerproblem. Man wünscht sich, dass der Nachbar möglichst viel tut, um dann selber weniger tun zu müssen.“
Kooths zerpflückt die Klima-Logik der Grünen
Der Wirtschaftswissenschaftler mahnt außerdem zu einem nüchternen und vor allem realistischen Blick auf die Welt und die Mitbewerber an. „Nehmen wir China. Da wird sehr oft darauf hingewiesen, dass dort die erneuerbaren Energien stark ausgebaut werden. Das stimmt auch, aber das spiegelt nur den Energiehunger Chinas insgesamt wider. Alle anderen Energieträger werden dort ebenfalls sehr kräftig ausgebaut, inklusive natürlich der fossilen Energien. Kohle insbesondere. Also hieraus kann man eben nicht schließen, nur weil hohe Ausbauraten in China verzeichnet werden, dass man dort der Dekarbonisierung Vorreiter wäre. Das Gegenteil ist der Fall.“
Der nüchterne und vor allem ernüchternde Blick in die Welt zeigt etwas anderes: „Die Energiepolitik, wie wir sie in Deutschland machen, ist sicherlich nicht geeignet, um als Vorbild für die übrige Welt zu gelten. Wenn man sich umblickt, merkt man, es folgen die anderen Länder nicht, sondern in der Regel haben alle anderen Länder eben auch eine konventionelle Energiequelle, mit der sie die Erneuerbaren kombinieren, um dann insgesamt die Energiesicherheit auch zu vertretbaren Kosten darstellen zu können.“
Wenn alles gut geht, zahlt sich die deutsche Klimapolitik in zwanzig oder dreißig Jahren aus
Das alles, sagt Kooths, „spricht jetzt nicht per se gegen diese Politik, aber es spricht gegen die Verheißungen, die man damit immer transportiert hat.“ Er nehme allerdings auch wahr, dass die ganz großen Versprechungen in letzter Zeit abnehmen oder deutlich leiser werden. „Diese Euphorie, die es da vor zwei, drei Jahren noch gab, die ist doch weitestgehend verflogen.“
Dekarbonisierung ist noch keine Wertschöpfung. „Wenn man so will, kann man ein sehr langfristiges Rendite-Kalkül dahinter sehen, dass man sagt: Okay, wir setzen heute zusätzliche Ressourcen ein, um uns zu dekarbonisieren, in der Hoffnung und in der Erwartung, dass dann die nächsten Generationen günstigere klimatische Bedingungen und damit auch bessere Produktionsbedingungen haben, als sie sie sonst hätten. Unter diesem sehr, sehr langfristigen, generationenübergreifenden Aspekt, wenn dann all die Erwartungen und die Annahmen, die man setzen muss, um das zu rechtfertigen, auch tatsächlich eintreten, dann kann man daraus sogar eine Wertschöpfungsstory machen. Aber die zahlt sich dann eben in späteren Jahrzehnten aus. Und in der Übergangsphase, und das sind eben 20 oder 30 Jahre, ist es eben genau umgekehrt.“