Die Akte Faeser-Schönbohm: Chronik eines Skandals
In einer „exklusiven Enthüllung“ wurde der ehemalige BSI-Präsident Schönbohm durch Böhmermanns ZDF Magazin Royale beschuldigt, Verbindungen zu russischen Cybersecurity-Unternehmen zu haben. Es stellt sich heraus: alles haltlos!
Nun sollte aufgeklärt werden, doch Innenministerin Nancy Faeser, die in den Skandal verwickelt war, blieb den Sondersitzungen fern und nannte die Vorwürfe „Klamauk“. Ein Dokument deutet darauf hin, dass sie den Verfassungsschutz beauftragt haben könnte, belastendes Material über Schönbohm zu sammeln.
NIUS hat die gesamte Chronik des Skandals für Sie zusammengefasst:
07.10.2022 – An diesem Tag wurde ein Video des ZDF Magazins Royale veröffentlicht, in dem angebliche Verbindungen des ehemaligen BSI Präsidenten Arne Schönbohms zu russischen Cybersecurity Unternehmen aufgedeckt werden sollten. Die mediale Hetzjagd auf Schönbohm begann.
Hier präsentiert Jan Böhmermann die haltlose Recherche über Arne Schönbohm.
10.10.2022 – Schönbohm schreibt an Faeser und bittet sie um Schutz vor unberechtigten Angriffen.
12.10.2022 – Kurze Zeit später verbietet der BSI Schönbohm, sich zu Anschuldigungen Böhmermanns zu äußern. Die Möglichkeit, sich zu erklären, entfällt für ihn komplett.
14.10.2022 – Faesers Staatssekretär für digitale Angelegenheiten Markus Richter, legt Schönbohm in einem Telefonat nahe, den Job zu wechseln, weil sonst ein Disziplinarverfahren drohe. Gründe dafür hat Schönbohm bis heute nicht erfahren. Schönbohms Anwälte interpretieren das als Erpressung.
17.10.2022 – Drei Tage später beantragt Schönbohm die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst. Experten bewerten diesen Schritt als Zeichen für Schönbohms Unschuld hinsichtlich der medialen Vorwürfe.
18.10.2022 – An diesem Tag wird die Abberufung Schönbohms durch die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bekanntgegeben. Als Grund hierfür wird der Vorwurf der mangelnden Distanz zu russischen Geheimdienstkreisen angegeben, der unter anderem durch den Frontmann der ZDF Magazin Royale Sendung Jan Böhmermann gegen Schönbohm erhoben wurde. Die medienwirksamen Vorwürfe gegenüber Schönbohm sollen laut eines Sprechers des Ministeriums außerdem „das notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die Neutralität und Unparteilichkeit der Amtsführung als Präsident der wichtigsten deutschen Cybersicherheitsbehörde nachhaltig beschädigt“ haben.
Fast drei Monate vor den Böhmermann Vorwürfen: damals stand Nancy Faeser noch neben Arne Schönbohm.
19.10.2022 – Einen Tag nach der Bekanntgabe der Abberufung Schönbohms aus seinem Amt als Präsident des BSI stellen die ehemalige AfD-Abgeordneten Joana Cotar, Barbara Lenk und Beatrix von Storch eine Anfrage über die Herkunft der Informationen zum BSI-Fall.
NIUS liegt die kleine Anfrage der AfD vom 19.10.2022 vor.
31.10.2022 – Beim Verwaltungsgericht in Köln geht ein Eilantrag gegen das Tätigkeitsverbot ein. Schönbohms Anwälte schreiben, ihrem Mandanten werde „offensichtlich rechtswidrig“ die Möglichkeit zur Entlastung genommen. Es entstehe der Eindruck, das Ministerium sehe in der TV-Show eine „willkommene Gelegenheit“, Schönbohms „berufliche ,Kaltstellung’ zu ermöglichen“.
16.11.2022 – Fast einen Monat später nach dem Eingang des Eilantrags gesteht das Bundesministerium in seiner Antwort ein, dass die zuständige Staatssekretärin des BMI, Juliane Seifert, im Vorfeld der Böhmermann Sendung zwei persönliche Konversationen mit Jan Böhmermann geführt haben soll.
Hier steht Staatssekretärin Juliane Seifert (r.), die heimlich zwei Gespräche mit Böhmermann geführt hat.
01.01.2023 – Ab diesem Tag wird Schönbohm offiziell der Posten des Präsidenten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung zugeteilt. Experten vermuten, dass das den BSI-Skandal verschleiern soll.
24.04.2023 – Die Vorermittlungen zu den Vorwürfen gegenüber Schönbohm werden erst nach über sieben Monaten beendet und überschreiten damit deutlich die rechtlich festgesetzte Dauer von drei Monaten. Faesers Vorwürfe stellten sich dabei als haltlos heraus.
02.05.2023 – Über fünf Monate nach den Vorwürfen trifft sich Faeser laut Bild mit dem Zentral-Abteilungsleiter Martin von Simson, der gleichzeitig ihr Vermieter ist, zur Besprechung des BSI Skandals. Faeser soll von Simson die Zusammentragung aller Schönbohm betreffenden Geheimunterlagen gefordert und diesen unter Druck gesetzt haben, wie eine bei Bild veröffentlichte Email bestätigt.
12.05.2023 – Schönbohm fordert 100.000 Euro Schmerzensgeld vom ZDF in einer Abmahnung. Die Begründung dafür: schwere Persönlichkeitsverletzung.
31.05.2023 – Auf schriftliche Anfrage der AfD-Abgeordneten Joana Cotar, die wie folgt lautet: „Plant die Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser die Freistellung/Versetzung von Arne Schönbohm als Folge des durch falsche Anschuldigungen entstandenen beruflichen Imageschadens zu korrigieren bzw. sich zu entschuldigen?“ antwortete Faeser schlicht und einfach mit „nein“.
01.07.2023 – Die Mathematikerin Claudia Plattner wird nun neue Präsidentin des BSIs. Faeser betont ihre große Freude darüber, dass das erste Mal eine Frau an der Spitze dieser Sicherheitsbehörde im Bereich des Bundesinnenministeriums steht und bezeichnet die Neubesetzung als „starkes Zeichen und großen Gewinn“.
30.08.2023 – Das ZDF bestätigt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (DPA), dass ein Anwaltsschreiben vorliegt. Der Eingang einer achtzehnseitigen Klage gegen das Bundesministerium und Faeser kann am gleichen Tag bestätigt werden, wie Nius berichtet.
Das ZDF hat die Forderungen jedoch bereits zurückgewiesen.
31.08.2023 – Zum ersten Mal wird ein Dokument medienwirksam bekannt, dass belegen soll, dass Faeser den Verfassungsschutz, einer ihr unterstellten Behörde, aufgetragen haben soll, belastendes Material über Schönbohm zu sammeln. Nius berichtete darüber.
01.09.2023 – Einen Tag nach Bekanntwerdung des Dokuments veröffentlicht die CDU/CSU eine Pressemitteilung über die Beantragung einer Innenausschuss-Sondersitzung wie NIUS exklusiv berichtete.
Andrea Lindholz (Mitglied des Bundestags, CSU): „Wenn die Medienberichte zutreffen, ist endgültig klar, dass Frau Faeser Herrn Schönbohm grundlos abberufen hat. Vor allem aber wiegt der sich aus den Ministeriumsakten ergebende Vorwurf extrem schwer, die Bundesinnenministerin habe den Verfassungsschutz instrumentalisiert, um ihre Entscheidung im Nachhinein zu rechtfertigen. Frau Faeser muss jetzt umgehend für Aufklärung sorgen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat für den kommenden Dienstag eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt. Frau Faeser muss persönlich erscheinen und zu den gravierenden Vorwürfen Stellung nehmen.“
05.09.2023 – Am Dienstag soll Faeser bei einer um 8:30 Uhr beginnenden Sondersitzung des Innenausschusses und des Geheimdienste-Kontrollgremiums (PKGr) Rechenschaft leisten. Die Ministerin ließ sich an diesem Tag „aus gesundheitlichen Gründen“ entschuldigen. Dazu berichtete erstmalig Nius.
07.09.2023 – Nancy Faeser bleibt der Sondersitzung des Innenministeriums erneut fern und schickt ihre Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter zum Termin. Später lässt diese von Faeser ausrichten, dass eine Begründung für ihr Fernbleiben nicht erforderlich sei und sie zum Termin schicken könne, wen sie wolle. Dabei war die Anwesenheit der Innenministerin bei der Sondersitzung dringend gewünscht. Später sagt sie im Bundestag: „Ich verstehe ja, dass Sie in den kommenden Wochen alles tun werden, mich mit Dreck zu bewerfen. Ich kann Ihnen aber sagen, liebe Union, ich mache meine Arbeit.“
Ferner bezeichnet sie die schweren und ernsten Vorwürfe gegen sie als „Klamauk“.
08.09.2023 – Faeser widerspricht sich öffentlich selbst, wie Nius exklusiv berichtete. Und das ist nur einer ihrer vielen Widersprüche: Der Vorsitzende des Innenausschuss, Lars Castellucci (SPD), bestätigt im ZDF heute journal, dass Böhmermanns Sendung zur Amtsenthebung Schönbohms geführt haben soll.