Bürgerrat gegen „Desinformation“: Innenministerium zahlte knapp 60.000 Euro Steuergeld für Zensurpläne
Vergangene Woche hatte ein Bürgerrat seine Vorschläge gegen sogenannte Desinformation präsentiert. Nun zeigt sich: Die Bundesregierung zahlte knapp 60.000 Euro für die Durchführung des Projekts mit dem Titel „Forum gegen Fakes“.
Auf NIUS-Anfrage erklärt das Bundesinnenministerium (BMI): „Im Rahmen der Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung beim Projekt ‚Forum gegen Fakes‘ hat das BMI die Mietkosten für zwei Präsenztreffen des Bürgerrats in Höhe von insgesamt 59.384 Euro übernommen.“
Die Kosten könnten aber weiter steigen. So schreibt das Ministerium: „Zudem hat das BMI die Veranstaltung zur Übergabe des Bürgergutachtens am 12.09.2024 im BMI durchgeführt und finanziert. Die genauen Kosten hierzu sind zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht bezifferbar.“
Forderung nach Zensur
Am 12. September hatten Teilnehmer des Bürgerrats Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ein Gutachten überreicht. Darin wurden zahlreiche Empfehlungen ausgesprochen, die zuvor von über 120 beteiligten Bürgern sowie mittels einer Online-Abstimmung erarbeitet worden waren. Die Forderungen erinnerten sowohl inhaltlich als auch durch die Art der Formulierung an Zensur-Maßnahmen.
Das „Forum gegen Fakes“ wurde in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung durchgeführt.
So soll die Bundesregierung nach dem Willen des Bürgerrats prüfen, ob die Verbreitung von Desinformation strafrechtlich verfolgt werden kann. Auch empfiehlt der Bürgerrat etwa für soziale Netzwerke eine „Bedenkzeit“ von 2 bis 5 Minuten, bevor ein Beitrag veröffentlicht werden kann. In dieser Zeit soll eine KI den Inhalt auf Desinformation und „problematische Schlagwörter“ untersuchen. Bei Verdacht auf Desinformation sollen Mitarbeiter den Beitrag überprüfen und gegebenenfalls die Veröffentlichung unterbinden.
Zudem fordert der Bürgerrat ein Güte-Siegel für Journalismus sowie eine „Stabsstelle Desinformation“ im Innenministerium, um „Medienschaffende regelmäßig zum Thema Desinformation zu versorgen und kontinuierlich Themenangebote zu liefern“. Auch ein „Desinformationsranking“ zu Aussagen von Politikern steht auf der Liste der Empfehlungen. Das Ranking soll im Wahlkampf veröffentlicht und von einem Medienhaus wie Correctiv durchgeführt werden, das im Gutachten als „unabhängig“ bezeichnet wird, sich tatsächlich jedoch auch durch staatliche Förderung finanziert.
Verpflichtende Schulung für Erwachsene
Der Bürgerrat forderte auch verpflichtende Lernmodule in „Medienkompetenz“ an Universitäten, Berufsschulen und bei Elternabenden. Die Begründung: „Erwachsene sind besonders schwer zu erreichen, da sie oft nicht mehr zur Schule gehen und ihre Meinungen gegebenenfalls verhärtet sind. Um genau diese Bevölkerungsgruppe dennoch zu erreichen, können verpflichtende Maßnahmen dabei helfen, die Diskussionsbereitschaft zu erhöhen und gleichzeitig wichtige Kompetenzen zu vermitteln.“
Beratend tätig war auch das Bundesamt für Verfassungsschutz, der deutsche Inlandsgeheimdienst also. Die ist besonders auffällig, da der Bürgerrat sich eigentlich mit gezielter Desinformation aus dem Ausland befassen sollte. Sowohl die finalen Empfehlungen als auch die Beratung durch den Verfassungsschutz legen den Verdacht nahe, dass durch den Bürgerrat vor allem eine Grundlage geschaffen werden sollte, um politische Maßnahmen zur Einschränkung der Meinungsfreiheit vorantreiben zu können.
Tatsächlich arbeitet das Haus von Faeser daran, eine Früherkennungseinheit für Desinformation zu schaffen, wie Faeser im Februar erklärt hatte. Auch die im Mai von der Bundesregierung verabschiedete Strategie gegen Extremismus sieht präventive Maßnahmen gegen Desinformation vor.
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